Fundstück des Tages:

»Ob er schon einmal Galette gegessen habe, mit Apfelschnitzen und angebratener Boudin blanc gefüllt? Sie schnalzte mit der Zunge. Sie erwähne das nur, damit er nicht denke, es mit einer verweichlichten Esserin zu tun zu haben, die salzlosen gedünsteten Heilbutt und durchs Wasser gezogenes Gemüse bevorzuge. Ihre Mutter habe deftig gekocht, und er wisse ja, wie prägend frühe Kindheitserlebnisse seien. Wenn sie über die Stränge schläge, faste sie eben zwei Tage lang. Oder habe er den Eindruck, sie müsse stärker auf ihre Figur achten? Als Frau Ende dreißig komme man ja in einen grenzwertigen Bereich. Da dem Teufel Zucker zu geben – und der Kampf ist für immer verloren, und man endet als fette Pariserin, die sich von ihrem Schoßhündchen in den Rundungen kaum unterscheidet und in Häusern mit defektem Aufzug zum Tode verurteilt ist. Stellen Sie sich vor, Monsieur Bernthaler, welches Bild das abgäbe, die verendeten Körper massiger Frauen, in unserem Haus verteilt über die Stockwerke, wie nach einer desastsrös verlaufenen Himalyaexpedition. Generationen nach uns würden die Überreste von den Treppenstufen kratzen und sofort erkennen, dass in diesem Haus mit der Aufzugsanlage etwas nicht in Ordnung gewesen sei.«

Madame Cottard und eine Ahnung von Liebe
Rainer Moritz
240 Seiten, gebunden, 2009

Dem Teufel Zucker geben …